On the pryre


von Daniela Tödling

Unheimlich hallten seine Schritte auf dem Beton Boden einer aufgelassenen Garage nahe Helsinki. Ein bitterkalter Wind fuhr durch Ritzen und sang sein schauriges Lied. Das eintönige Grau der Wände wurde nur hin und wieder von einem Jugend-Gang Graffiti durchbrochen.
Als er urplötzlich ins fahle Licht einer Notbeleuchtung trat, zuckte Tammi
dennoch zusammen. Sein rundliches, aber keineswegs dickes Gesicht mit den dunklen Federn… sie kannte jeden Zentimeter dieses Körpers. Jeden Makel, jede Pore… Sie kannte aber auch die innewohnende Seele. Den unerträglichen Zustand seiner Trink- und Selbstaufgabe-Phasen. Die Dunkelheit.

+

Keine Umarmung. Die Hände steckten in den Hosentaschen. Er ging auf Distanz. „Was willst du?“ Kalt, unpersönlich. Tammi Pitkänen bereute es mit einem Mal, ihre Zigaretten in der Wohnung liegen gelassen zu haben. Dann hätten ihre Hände wenigstens etwas zu tun gehabt. Die Distanz zwischen ihnen war fast körperlich spürbar. Lauri Ylönen‘ s Haltung verriet Angespanntheit. Ein Raubtier, das überlegte, ob sich der tödliche Angriff lohnte. Knapp über ihren Köpfen huschte etwas hinweg. Tammi zuckte leicht zusammen. Lauri reagierte überhaupt nicht. Tammi antwortete – verspätet – auf Lauri‘ s Frage: „Ich wollte mich mit dir treffen, weil…“, brach wie ein Läufer ab, der die Orientierung verloren hatte. Lauri‘ s Körperspannung hatte sich gelockert. Nun lehnte er an einer Säule, die Hände in den Taschen der schwarzen stonewashed Jeans vergraben. Tammi bemerkte, dass er heute grüne Kontaktlinsen trug. Als ihre Hände zu ihrem Bauch hochhuschten, folgte Lauri‘ s Blick ihnen.
„Ich krieg ein Baby von dir.“

+

Die Wut kroch mit der Hitze einer Feuersäule in Lauri Ylönen hoch. Würde er Gewalt nicht so verabscheuen, hätte er Tammi jetzt eine Ohrfeige verpasst. Die Kiefer des 24-jährigen mahlten.
Lauri‘ s Blick löste sich vonihrem Bauch, der in einem schwarz-roten Burberry-Mantel steckte. Die

Feuersäule fühlte sich so an, als würde er auf einem Scheiterhaufen stehen. Auf einem Scheiterhaufen stehen und für die Sünden anderer leiden. Der Mann schüttelte den Kopf. „Das Kind kann nicht von mir sein.“ Lauri‘ s Stimme klang sanft, obgleich der Scheiterhaufen nun loderte.
„Wir hatten seit sechs Monaten keinen Sex mehr.“

+

Sie hatten die Anonymität der Garage verlassen. Saßen nun draußen auf einer, vom letzten Regen noch feuchten, Parkbank. Es hatte keine Tränen gegeben, kein Geschrei. Nur Trauer und stummes Verständnis. Lauri hatte die Ellenbogen auf seine Knie gestützt und fuhr sich durch‘ s Gesicht, als wolle er den Schlaf vertreiben. Oder bestimmte Gedanken. Letzteres wahrscheinlicher. Irgendwann durchbrach der Finne das Schweigen: „Er ist jünger als ich, oder?“ Zu seiner Überraschung schüttelte Tammi den Kopf. „Nein. Älter. Um drei jahre.“ Sie senkte den Kopf, spielte mit den Silberringen an ihrer Hand. Leise, aber fest, sprach Tammi weiter: „Ich habe ihn in einem Online-Portal kennengelernt.“ „Ah. Und dort hat er dich geschwängert?“ Lauri klang sarkastischer, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Tammi starrte auf ihre Knie, knetete ihre Hände. Eine blonde Frau mit rosa Kinderwagen ging an ihnen vorbei. Aus dem Wagen drang fröhliches Glucksen. Jetzt drehte sich Tammi zu Lauri um. „Das mit uns … das ist am Sterben. Schon lange, Lauri.“ Der Anblick des Kinderwagens versetzte dem Mann einen Stich.
Der Scheiterhaufen in Lauri war verloschen. Stattdessen war dort nur noch verkohltes, totes Holz. Ein großer Berg aus verkohltem, totem Holz. Irgendwann erhob sich Tammi, legte ihm eine Hand auf die Schulter und ging.

Lauri hob den Kopf und wollte ihr nachsehen, sie im Blick behalten bis sie am Ende des Parks verschwunden war, doch die Tränen in seinen Augen machten ihn blind.

ENDE


Daniela Tödling Daniela Tödling

 

 


Diesen Text teilen: