Drübaschlofa, Heli!

von Peter Gstöttmaier

Wüll des net hobm , Heli wüll des net hobm ,
STICHLN , des mog a net , do geht’s eahm net guat ,
fongt on zum spinna , sogt nix mehr, ist ongsponnt
—–LOSSTS MI GEHN —–
Wonn Heli locka ist und net beleidigt , konnst ois hobm,
geht alloani zum Spar und in Trafik , holt si Tschick und Lottoschein,
bringt si söba weida, so wia ih, genau söbi.
Heli is ehrli, is net ohdraht, sein Problem is , frißt ois eini.
Leut sogn DODL, BLEDA HUND , er sogt nix ,wird spinnat.
Heli rauft net, sein Lebta net, hot nu nie graft,
schimpft net , wehrt si net, wird ollweu leiser, schaut traurig,
loßt Schädl hänga ..
Donn redi Heli guat zua ,
Heli bist eh a klassa Hawara , mir zwoa san a bissal gleich ,
mir zwoa mögn koan Wiarbi .
Heli muaßt probiern alloani wohna , dös is so friedli,
net in da Gruppm, gonz alloani , nur du –
do host dei Ruah , do red neamd drein , dös is so schen.
Betreuer kennan Heli gonz genau , loßn eahm in Ruah.
Um Vieri ( 16 ) fohrt Heli hoam und nächsten Tog is wieda ok ,
kennst nix mehr , is wieda da Oide .
DRÜBASCHLOFA muaß ma , einfoch amol DRÜBASCHLOFA .
Schlof radiert ois aus.
Lebm geht wieda leicht .


Literaturpreis Ohrenschmaus Preisträger GSTÖTTMAYER Peter Kurzbiografie

Peter Gstöttmaier, geboren 1962, ist seit 36 Jahren in der Außengruppe „Anlagenpflege“ der Lebenshilfe in Grein, Oberösterreich, tätig. Besonders stolz ist Peter auf seine selbständige Lebensführung, die er mit starkem Willen durchgesetzt hat. Seit 2010 wohnt er alleine und wird mobil betreut. Seine Schwester Heidi ist ihm eine treue Begleiterin und unterstützt Peter auch beim jährlichen Einreichen zum Literaturpreis Ohrenschmaus, bei dem er schon mehrfach ausgezeichnet wurde.


Laudatio
von Ludwig Laher:

Es gibt zwei Personen in Peter Gsöttmaiers neuem Text, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Heli und das Ich, das über ihn spricht. Heli wird uns mit wenigen Strichen meisterhaft nähergebracht: Ein gutmütiger, geradliniger Mensch ist er, wenn er sich wohlfühlt, selbständig, umgänglich, doch eher zurückhaltend. Oft genug aber wird es ihm zuviel. Seinem Umfeld fehlt allzu häufig der Respekt, vielleicht auch die Sensibilität, ihn einfach sein zu lassen, wie er nun einmal ist. Man macht sich auf seine Kosten lustig, bedenkt ihn mit Schimpfworten und muss nicht fürchten, zur Rede gestellt zu werden, Widerstand zu erfahren. Denn Heli frisst alles in sich hinein. Immer leiser wird er, er schaut traurig, lässt den Kopf hängen. Und er fängt an zu spinnen, kämpft mit seinen Aggressionen, für die er kein Ventil hat.

Diese Informationen, mit großer formaler, auch rhythmischer Präzision und feinem Gespür zu Papier gebracht, verdanken wir einem Ich, das offenbar selbst genug zu kämpfen hatte, um trotz erheblicher Startnachteile ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. In einer gelungenen Mischung aus Porträt und direkter Ansprache des Porträtierten begnügt dieses Ich sich nicht damit, eine knappe und doch nachvollziehbare Charakterstudie Helis anzubieten. Es nimmt sich seiner an und redet ihm gut zu, wenn er wieder einmal ganz unten ist. Wie ein erfahrener Psychologe – oder besser: als ein solcher – beginnt das Ich, nennen wir es Peter, damit, Helis Selbstwert zu heben: Ein klasser Haberer sei er.

Peter glaubt, die Lösung, die er für sich selbst gefunden hat, wäre auch für Heli geeignet: Er traut ihm zu, ebenfalls ein weitgehend selbständiges, autonomes Leben zu führen, alleine zu wohnen, auf diese Weise entlastende Rückzugsmöglichkeiten zu haben. Mit etwas Abstand, dem titelgebenden Drüberschlofa, ließe sich das Leben wieder leichter bewältigen.

Die Zugewandtheit zum anderen, die aus Peter Gstöttmaiers Prosa spricht, ist ein kostbares Gut. In einer Welt voller ausgefahrener Ellenbogen geht er her und lehrt die Leserinnen und Leser solidarisches Verhalten, das, was altmodisch Nächstenliebe heißt. Weil Peter Gstöttmaier aber auch ein Dichter ist, macht er das völlig unaufdringlich und mit erstaunlicher Kunstfertigkeit. Die Heli herabwürdigen, sind dem Autor nur eine einzige Zeile wert, sich mit ihnen direkt anzulegen, ist vergebliche Liebesmüh, verlorene Energie. Vielmehr beschämt der Text diejenigen, die Heli als Dodl bezeichnen, indem er sie ignoriert und stattdessen Strategien entwirft, der Bedrängnis produktiv zu entkommen. Diese Strategien beruhen auf einem gesunden Menschenverstand, der selten geworden ist.

Dass Peter Gstöttmaier dabei nicht für einen resignativen Rückzug sogenannter Behinderter wirbt, beweisen unter anderem seine regelmäßigen Beiträge zu dieser Veranstaltung, deren Qualität nicht nur mir Bewunderung abringt. Erst die Selbstbestimmtheit, das zentrale Thema seines Schaffens, setzt jene Kräfte frei, die es einem talentierten Autor ermöglichen, sich mit sich selbst und den Mitmenschen in einer Weise auseinanderzusetzen, die künstlerisch gelungen und zugleich inhaltlich bedeutsam ist.

Lieber Herr Gstöttmaier, ich gratuliere Ihnen und uns allen zu einem wunderbaren, zu Herzen und Verstand gehenden Text.


Auszug aus der Jurybegründung
von Ludwig Laher:

Wieder einmal hat Peter Gstöttmaier nicht nur große poetische Kraft bewiesen, sondern auch einem seiner wichtigsten Themen eine neue Facette abgerungen: ‚Drüberschlofa, Heli!‘ handelt von zwei Menschen, dem Heli, der schwer damit zu kämpfen hat, in der Welt zu bestehen, auch weil die Umwelt ihm oft insensibel begegnet, und dem lyrischen Ich, das nicht nur Empathie für Heli empfindet, sondern die Ärmel aufkrempelt und sich aktiv um ihn bemüht, ihm mit klugen Ratschlägen unaufdringlich beisteht, ihn spüren lässt, dass er ihn schätzt und mag. Ein wunderbarer, zu Herzen gehender Text.


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